Konstruktiver Lichtblick
Eigner fanden in der Holterman-Werft den richtigen Partner für einen diffizilen 33-Meter-Auftrag. Das Achterdeck von „Lady Fleur“ vereint Pool und Chaseboat-Lift und macht den Stahl-Alu-Bau zur Basis für drei Generationen.

Konstruktiver Lichtblick

Eigner fanden in der Holterman-Werft den richtigen Partner für einen diffizilen 33-Meter-Auftrag. Das Achterdeck von „Lady Fleur“ vereint Pool und Chaseboat-Lift und macht den Stahl-Alu-Bau zur Basis für drei Generationen.

Kraftvoll: Der niederländische Designer Bernd Weel spendierte der X-treme 105 eine muskulöse Fassade mit vielen Fasen. Achtern ist die Garage für Zweit-Tender und Toys zu sehen.
Immer weiter nach vorn: Steuerleute sitzen auf der Flybridge oder im erhöht gelegenen Ruderhaus. Die Frontscheiben verleihen Explorer-Touch.

D as Heckwasser schäumt, als würde „Lady Fleur“ andocken. Dabei sind die 33 Meter fest vertäut und die Propeller ruhen. Dennoch bilden sich Trauben aus Menschen mit Handykameras im Anschlag. Zum Showstopper während der Cannes-Messe macht die X-treme 105 vor allem ihr Tenderlift. Die Niederländer steuern die Besucherströme äußerst geschickt, indem sie die schlauchförmige, zehn Meter lange und elf Tonnen schwere Plattform regelmäßig auf Tauchstation schicken. Der zwei Minuten dauernde Akt verdrängt reichlich Wasser und hebt den Stahlbau achtern um einige Zentimeter an. Werftchef Robbert Holterman betätigt den Senk- und Hebemechanismus und bittet nach der Prozedur an Bord zur Fußabkühlung im Pool, den sonst ein elf Meter langer Tender bedeckt, der sich nun an die Backbord-Flanke schmiegt.

„Bei Holterman Yachts sind Eigner mit innovativen Ideen immer willkommen, aber man kann mit Fug und Recht behaupten, dass wir mit diesem Projekt weit über die Norm hinausgegangen sind.“ Die Eigner wollten ihr Chaseboot nicht wie zuvor an der Leine durch das Mittelmeer ziehen, sondern das Elf-Meter-RIB an Deck lagern – und ohne Kran wassern: „Wir wollten schnell zu Zielen an Land und in flache Buchten fahren und gleichzeitig unseren erwachsenen Kinder Wasserski und Wakeboarding ermöglichen.“ Zusätzlich zieht ein Teleskopkran aus der seitlichen Parkbucht ein RIB, zwei Jetskis und Toys.

Stimmig: Das Zehn-Meter-Achterdeck fügt sich gut ein. Der Bug der Skipper 38 mündet in einer keilförmigen Sitzgruppe, Propeller hängen über dem Spiegeln.

Das Chaseboat fährt auf dem Achterdeck mit

Das Ausbringen des großen Tenders brachte die eigentliche Komplexität mit sich. Denn die Plattform musste aufgrund des Tiefgangs der Skipper 38 mit Z-Antrieb (!) einen Meter unter die Wasseroberfläche fahren, um diese frei schwimmen zu lassen. Es folgte eine maschinenbauliche Meisterleistung von Werft und Diana Yacht Design. Vom senkrechten Absetzen wie bei einer hydraulischen Hebebühne nahm man nach wochenlangen Tests und Simulationen Abstand. Die vier Ecken hätten sich exakt synchron bewegen müssen, andernfalls wäre die Gefahr des Überschwappens durch Ruckeln groß gewesen. Vielmehr musste es eine durchgehende schwingende Bewegung ähnlich einer Pantograftür sein. Die Diana-Ingenieure konstruierten vier Rotorarme mit jeweils drei Punkten, die insgesamt etwa 30 Tonnen 2,50 Meter hoch heben können: Das erste Gelenk ist mit der Rumpfinnenseite verbunden, kurz dahinter setzt der Hydraulikzylinder und ganz achtern am Rotorarm die Plattform an. „Eine solche Idee wurde nie zuvor ausprobiert, sodass wir im ständigen Austausch mit der Klassifikationsgesellschaft und dem Flaggenstaat standen“, so das Konstruktionsbüro. Hinzu galt es, einen scheinbar widersprüchlichen Nutzungswunsch zu erfüllen. So hieß es: Wir wollen einen Elf-Meter-Tender auf dem Deck parken und gleichzeitig einen Salzwasser-Pool für die Enkelkinder haben. Sobald der Tender zu Wasser gelassen wurde, füllt sich eine fünf Meter lange Aussparung innerhalb der Plattform mit bis zu 14 Tonnen Meerwasser und es stellt sich eine Badetiefe von 1,50 Meter ein, die sich stufenlos auf das „Pied dans l’eau“-Maß von 30 Zentimeter verschieben lässt. Die „Lady Fleur“-Auftraggeber machen deutlich: „Nachdem wir Zeit auf schnellen Booten verbracht hatten, wollten wir noch viele Jahre mit unseren Kindern und Enkelkindern auf dem Wasser verbringen. Zu den Wünschen zählte ein Pool auch für die ganz Kleinen.“

Doppelt: Die hohen Redundanz-Forderungen der Eigner führten zu je zwei Heck- und Bugstrahlern und vier Flossenstabilisatoren.

Die Heckpartie vereint Interessen von drei Generationen

Eine weitere konstruktive Herausforderung wartete in Form der Seitenrümpfe. Im Grunde ist das Heck wie ein Katamaran aufgebaut, dessen Rumpfenden jedoch nicht von Querverbindungen zusammengehalten werden. Vielmehr müssen die Schwimmkörper das Gewicht von Motoren, Wellen, Generatoren oder Wassermachern tragen. Zahlreiche Finite-Elemente-Berechnungen stellten sicher, dass das Heck bei laufendem Antrieb nicht zu stark arbeitet oder vibriert. Die beiden Stahlstege schweißte Holterman über 60 Millimeter dicke Einsätze an das Heckspant, um Ermüdung oder Risse zu vermeiden. Über Deck geht der Rumpf in ein hohes Schanzkleid über, eine Forderung für die Sicherheit der ganz Kleinen.

Die Eigner wollten ihr Chaseboat nicht hinterherziehen, sondern an Deck lagern und ohne Kran wassern

Mechanische Meisterleistung: Dreigelenkige Rotorarme heben die elf Tonnen schwere Plattform mit RIB oder vollem 1400-Liter-Becken hydraulisch an.

Das Exterior von X-tremes Debütmodell zeichnete Bernd Weel, auch aus den Niederlanden und mittlerweile Hausdesigner der neuen Holterman-Marke. Die grenzt sich mit einer moderneren Formensprache von den bisher gebauten Kompakt-Stahlverdrängern ab. Das Flaggschiff „Lady Fleur“ trägt den Modellnamen X-treme 105 und die an Superyachten wie 92-Meter-„Queen Miri“ geschulte Handschrift von Weel: „Es gibt Merkmale, die man normalerweise nicht auf einem Schiff von 33 Meter Länge findet. Diese enorme Herausforderung schuf eine sehr starke Energie interherziehen, wassern bei allen, die an dem Projekt beteiligt waren. Wir haben versucht, das Unmögliche möglich zu machen.“ Das Layout mit acht Schlafplätzen unter Deck und zwei in der Mastersuite im Bug entwickelte der gelernte Architekt und Autodesigner mit der Werft und den Eignern. Seine Inspiration für das Exterior: „Wir ließen uns von der Natur und angreifenden Raubtieren zu einem Design inspirieren, das muskulös und kraftvoll aussieht und bereit ist, jedes Meer in Angriff zu nehmen. Da wären die muskulösen Schultern und das nach vorn geneigte, aber niedrige Steuerhaus – es will förmlich vorwärts.“

Offenes Layout: Die frei stehende Küchenzeile war Eignerwunsch. Der Vinylboden und robuste Teppiche sprechen für die Nutzung durch drei Generationen.
Küche im Wohnzimmer: Gespeist wird vorn in der gemütlichen Dinette oder windgeschützt im Freien. Das große Sofa sorgt für kommunikatives Kochen.

Die Motoren sitzen in den Katamaranrümpfen

Obwohl die Linien große Antriebsstärke ausstrahlen, leisten die zwei Hauptaggregate nur je 551 Kilowatt. Auch bei der Motorisierung ging Holterman einen eigenen Weg und setzte auf kommerzielle Motoren von Volvo Penta, die man mit den Schweden für den Einsatz auf einer Superyacht optimierte. „Lady Fleur“ bewegt sich maximal schnell mit 15 Knoten und effizient wie bequem mit zehn Knoten fort. Letztere Fahrt eröffnet bei vollen Bunkern eine Reichweite von 2400 Seemeilen. Aus der Not heraus den Antrieb nicht mittschiffs platzieren zu können, machte das Entwicklungsteam eine Tugend und ordnete die Motoren in den Außenposten der Rümpfe an. Dort sorgen Hydraulik-Luken für sofortigen Zugang und die Option des unkomplizierten Ausbaus.

Durch die weit hinten liegende Einheit aus Propeller und Motor verläuft die Welle waagerecht, was den Wirkungsgrad erhöht und Vibrationen senkt. Dennoch führte Diana ob derseitlichen Positionierung viele CFD-Tests durch, damit der Propeller keine Luft ansaugt. Die Lösung der Konstrukteure: „Düsen um den Propellern helfen, den Was serstrom zu leiten. Das erforderte viele Wochen der Feinabstimmung, brachte aber den zusätzlichen Vorteil zutage, dass die Düsen wie ein Ruder wirken konnten. Das erwies sich als sehr effizient und erzeugte sogar etwas Auftrieb, was Luftwiderstand und damit den Kraftstoffverbrauch verringert.“

Master: Die Eigner residieren hinter dem Steven in einer breiten Suite. Möbel bedeckt Walnussfurnier, das Boxspringbett ziert Leder und Stauflächen.

Trimm Design aus Leeuwarden sollte die Innenräume „luftig“ und „nicht yachttypisch“ gestalten

Verbrauchsökonomie liegt auch der Bordnetz-Architektur zugrunde. Die beiden Cummins-Generatoren speisen nicht direkt die Abnehmer, sondern geben ihre Energie an eine Lithium-Ionen-Bank weiter, die stets die exakt gefordert Strommenge bereitstellt. Wichtig war den Eignern, ohne oder mit nur kleiner Crew auf große Fahrt gehen zu können und nicht an Reparaturen denken zu müssen: „Wir wollten sicherstellen, dass technische Defekte keine Auswirkungen auf die wertvolle Familienzeit haben. Auch wenn die Geräte noch so gut konstruiert und installiert sind, fallen sie in rauer See und den unpassendsten Momenten aus. Die Antwort war ein sehr hohes Maß an Redundanz: Von Bug- und Heckstrahlruder bis hin zu Batterieladegeräten und Wechselrichtern haben wir zwei von allem, was ausfallen und unseren Spaß unterbrechen könnte.“ Sogar von den Flossenstabilisatoren wurden zwei Paar bei CMC in Italien geordert. Sie bewegen sich elektrisch, da die hydraulische Variante zu viel Rumpfraum eingenommen hätte.

Das Ausstaffieren der knapp 200 Gross Tons großen Innenräume oblag Trimm Design aus Leeuwarden, die „luftig“ und „nicht yachttypisch“ gestalten sollten. Für den Salon orientierte man sich an Wohnzimmern an Land. Hier sprechen pflegeleichter PVC-Boden im Fischgrätenmuster und robuster Teppich vor dem XXL-Sofa für Familienfreundlichkeit. Wichtig war den Eignern eine Wohnküche: „Wir entfernten uns vom auf 100-Fuß-Yachten üblichen Layout und platzierten die Galley direkt steuerbord vom Eingang. Die offene Küche bildet einen sozialen Mittelpunkt und es ergibt sich ein hervorragender Zugang zum außen liegenden Esstisch.“ Nach vorn lockt eine gemütliche Dinette an Steuerbord, daneben der Niedergang zu den Gästegemächer und die Treppen hinauf zur Brücke. Ganz außen geleitet ein großzügiger Flur in die Eignersuite, wo sich taupefarbene Paneele mit Schlangenleder und mattem Walnussholz abwechseln. Im Bad fallen schwarze Armaturen und eine Weite auf, die ungewöhnlich für Yachten ist. Zur zehn Meter langen und 7,50 Meter breiten Feierbasis wird das Achterdeck, wenn Tender Nummer eins doch mal an der Leine hängt und der Pool zugedeckt ist. Partys im Anschluss ans Dinner freuen alle drei Generationen. Ganz nach dem Gusto der Eigner.

Breit: Auch das Eignerbad bietet viel Freiraum und ähnelt den Vorbildern an Land. Die fehlende Badewanne ersetzt ein Jacuzzi auf dem Sonnendeck.
Flybridge: Der Außensteuerstand verzichtet auf eine Windschutzscheibe. Statt Tenderparkplatz bleibt achtern viel Platz zum Entspannen.
Zwischendeck: Der fünf Meter lange und bis zu 1,50 Meter tiefe Pool wird über drei Stufen erreicht. Die Brücke hat eine Außentür an Steuerbord.
Hauptdeck: Zwischen Mastersuite und Salon befindet sich Stauraum und Schaltschränke für das hybride Bordnetz aus Generatoren und Batterien.
Unterdeck: Crewmesse und Wäscherei sind je so groß wie eine VIP-Suite. Für die Besatzung stehen vier Betten bereit, davor nächtigen acht Gäste.

„Wir entfernten uns vom üblichen Layout und platzierten die Galley direkt steuerbord vom Eingang“

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